PANKREASKARZINOM


  • Studie:   Tumorkontrolle bei Patienten mit fortgeschrittenem Pankreaskarzinom nach intraarteriellen Infusionschemotherapie und isolierter hypoxischer abdominaler Perfusions-Chemotherapie.


Studie


Tumorkontrolle bei Patienten mit fortgeschrittenem Pankreaskarzinom unter intraarterieller Infusionschemotherapie (IA) und isolierter hypoxischer abdominaler Perfusions-Chemotherapie (UAP).

Zusammenfassung

 

Ziel der retrospektiven Kohortenstudie war die Untersuchung der Überlebenszeit beim fortgeschrittenen Pankreaskarzinom unter zwei verschiedenen Behandlungsprotokollen der Regionalen Chemotherapie (RCT) im Vergleich. Erfasst wurden die klinischen Verläufe von insgesamt 454 Patienten mit Pankreaskarzinom der WHO-Stadien III (174 Patienten) und IV (280 Patienten). 233 Patienten wurden mit der IA, 221 Patienten mit der HAP mit anschließender Chemofiltration behandelt.

Untersucht wurden das Tumoransprechen und die medianen Überlebenszeiten unter beiden Therapieprotokollen. Die medianen Überlebenszeiten im Stadium III betrugen 8 (IA) und 12 (HAP) Monate, im Stadium IV wurden 7 (IA) und 8,5 (HAP) Monate beobachtet. Bei 33 von 36 Patienten mit mittel- oder schwergradigem Aszites kam es unter der HAP zur vollständigen Auflösung des Aszites. Unter dem Therapieprotokoll der HAP kam es bei 8,7 Prozent der Patienten zu einem vollständigen und bei 53,6 Prozent zu einem partiellen Ansprechen des Tumors. Beide Verfahren waren mit nur geringen Nebenwirkungen und damit höherer Lebensqualität gegenüber der Standardtherapie verbunden.

Insgesamt zeigte sich die UAP jedoch bezüglich der Überlebenszeiten der IA überlegen und stellt damit eine vielversprechende Therapieoption beim fortgeschrittenen Pankreaskarzinom dar.

 

 

Klinisch relevant waren insbesondere die Ergebnisse im klinischen Stadium III mit 1-, 2-, 3- und 4-Jahresüberlebensraten von 49,4 %, 29,4 %, 21,7 % und 19 %. Die Überlebenszeiten im klinischen Stadium IV nach 6, 9, 12 und 18 Monaten sind denen der NAPOLI-Studie mit nal-IRI plus 5-FU und Leucovorin weit überlegen (siehe Abb. 3c in der Publikation).

Abbildung 3c


Einführung

 

Im Jahr 2016 traten nach Angaben des Robert-Koch-Instituts in Deutschland insgesamt 18.370 Neuerkrankungen eines Adenokarzinoms des Pankreas auf, mit rund 95 Prozent die häufigste Form des Pankreaskarzinoms. Die Erkrankung stellt bei Frauen mit 9.190 Neuerkrankungen die sechsthäufigste und bei Männern mit 9.180 Neuerkrankungen die zehnthäufigste neuauftretende Krebserkrankung dar. Das mittlere Erkrankungsalter liegt zwischen 70-75 Jahren. Personen mit genetischer oder erworbener Belastung können jedoch schon im frühen Erwachsenenalter erkranken. Etwa 70% der Karzinome sind im Pankreaskopf lokalisiert. Häufig erst in späten Stadien diagnostiziert, zählt das Pankreaskarzinom mit mittleren 5-Jahres-Überlebensraten von unter fünf Prozent zu den onkologischen Erkrankungen mit der schlechtesten Prognose. Die derzeitige Standardtherapie besteht aus einer Kombination aus FOLFIRINOX, nab-paclitaxel, Gemcitabin oder Irinotecan sowie 5-Fluoruracil und Leucovorin, die als systemische Chemotherapie – häufig mit erheblichen Nebenwirkungen - verabreicht werden. Bisher konnten auch mit modernen immuntherapeutischen Verfahren keine wesentlichen Fortschritte hinsichtlich der Überlebensraten erzielt werden. Als prognostisch ungünstig gilt die Ausprägung eines Aszites, gegen den bis heute keine effizienten Therapieverfahren existieren und der in ausgeprägten Stadien eine wesentliche Verschlechterung der Lebensqualität bedeutet. In der vorliegenden retrospektiven Kohortenstudie mit 454 Patienten wird der Einfluss zweier Verfahren der Regionalen Chemotherapie (RCT) im Hinblick auf Überlebenszeit, Tumoransprechen und Lebensqualität untersucht.

 

 

Die RCT basiert auf einer nur lokal oder regional begrenzten Anwendung der chemotherapeutischen Medikation. Durch diese räumlich begrenzte Anwendung können vielfach höhere Konzentrationen der Chemotherapie direkt im Tumor appliziert werden, als dies bei einer systemischen Chemotherapie möglich ist. Durch eine anschließende Chemofiltration der zytostatisch wirksamen Medikamente nach der Tumorpassage, gelangen diese nicht in den gesamten Kreislauf. Dadurch können systemische Nebenwirkungen deutlich reduziert und die Lebensqualität weitgehend erhalten werden.


Studiendesign und klinisches Setting


Untersucht wurde der klinische Verlauf von 454 Patienten mit inoperablem Pankreaskarzinom, die zwischen 1987 und 2017 entweder mit der intraarterieller Infusionschemotherapie (IA; 233 Patienten) oder einer Kombination aus IA und mindestens einer isolierten hypoxischen abdominalen Perfusions-Chemotherapie (HAP, 221 Patienten) behandelt wurden. Bei 391 Patienten lag ein Adenokarzinom, bei 7 Patienten ein endokrines Karzinom und bei 56 ein Karzinom mit unklarem histologischem Status vor. 174 Patienten zeigten ein Karzinom des Stadiums III, 280 Patienten ein Karzinom des Stadiums IV. 265 der Patienten hatten keine Vorbehandlung vor Anwendung der RCT, bei 189 Patienten erfolgte im Vorfeld systemische Chemotherapie, Chemoembolisation und/oder Radiotherapie.

Die klinischen und demografischen Daten der Patienten sind in Tabelle 1 aufgeführt, der genaue Ablauf der Behandlung sowie die Medikation sind der Original-Studie

zu entnehmen. Die Technik der HAP mit Chemofiltration ist in Abbildung 1 erläutert.



Abbildung 1

Ergebnisse kompakt


Tumoransprache

  • Bei 8,7 Prozent der Patienten konnte ein komplettes Ansprechen des Tumors nach den RECIST-Kriterien (Version 1.1; Diagnostik per CT, MRT und PET) beobachtet werden.
  • Bei 53,6 Prozent der Patienten zeigte sich ein partielles Tumoransprechen auf die Therapie.
  • 13 Prozent der Patienten zeigten eine stabile, unveränderte Erkrankung
  • 24,6 Prozente der Patienten zeigten einen progressiven Verlauf der Erkrankung.

 

Überlebenszeit & Nebenwirkungen

  • Die 1-Jahres-Überlebenszeit nach Kombinationstherapie (IA/HAP) im Stadium III betrug 22,8 Prozent unter der Therapie IA sowie 49,4 Prozent für die Kombinationstherapie IA/HAP.
  • Die 3-Jahres-Überlebenszeit im Stadium III lag bei 2,3 Prozent unter IA und bei 21,7 Prozent unter der Kombinationstherapie
  • Die 1-Jahres-Überlebensrate im Stadium IV lag bei 20,3 Prozent der Patienten unter einer IA-Therapie sowie bei 37,0 Prozent der Patienten unter der Kombinationstherapie (IA/HAP).
  • Die 3-Jahres-Überlebensrate lag bei 4,5 Prozent (IA) sowie 7,7 Prozent (IA/HAP) für das klinische Stadium IV
  • Bei 33 von 36 Patienten mit mittel- bis schwergradigem Aszites kam es zur vollständigen Rückbildung.
  • Die Nebenwirkungen beider Therapieformen waren gering und konnten nach WHO-Standards zwischen den Graden I und II klassifiziert werden. Neurotoxizität der Therapien konnte in keinem Fall beobachtet werden.

Schlussfolgerung

 

Die isolierte Perfusions-Chemotherapie unter hypoxischen Bedingungen in Kombination mit der intraarteriellen Infusionschemotherapie stellt eine effektive therapeutische Option für Patienten mit fortgeschrittenem Pankreaskarzinom dar und ist der Therapie mit der intraarterieller Infusionschemotherapie allein im Bezug auf Überlebenszeiten überlegen.


Originalstudie zum Download:

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Kasuistik


Patientendaten

Geschlecht: Weiblich, Alter: 61


Verlauf und Therapie

 

Bei einer 61-jährigen Patientin wurde im Oktober 2012 mittels CT eine gut 3 cm große und partiell zystisch imponierende Raumforderung im Pankreaskopf in Nachbarschaft der Papillenregion mit Kompression des Pankreasganges, des Ductus choledochus und konsekutiv deutlicher intra- und extrahepatischer Cholestase mit Aufweichung des Pankreasganges, festgestellt. Für Fernmetastasierung im Thorax ergab sich kein Anhalt. Während einer externen, nicht radikalen Operation wurde eine pyloruserhaltende Pankreaskopfresektion einschließlich retroperitonealer Lymphadenektomie und Cholezystektomie durchgeführt. Peripankreatisch retroperitoneal wurde mit positivem Rand reseziert. Histologisch handelt es sich um ein papilläres Adenokarzinom mit G2, pT4, pN1(3/19), L1, V0, Pn1, R1. Laborwerte lagen bei Bilirubin 1,07, GPT 37, GGT 66, AP 134. Seit der Operation litt die Patientin unter rezidivierenden Diarrhoen.

 

Die Patienten lehnte eine systemische Chemotherapie ab und stellte sich noch im Monat der Erstdiagnose in der onkologischen Chirurgie des Medias Klinikums vor. Sie erhielt zwei Zyklen intra-arterielle Chemotherapie. Der erste Zyklus erfolgte mit Zytostatikagabe über einen angiographisch platzierten intra-arteriellen Katheter im Truncus coeliacus. Therapiert wurde mit niedrig dosiertem Cisplatin, Adriamycin und Mitomycin C als Kurzzeitinfusion an vier aufeinanderfolgenden Tagen.

 

Vier Wochen nach dem ersten Zyklus litt die Patientin weiterhin unter Diarrhoen und verzeichnete einen Gewichtsverlust von 3kg. Endoskopisch zeigte sich eine Soor-Ösophagitis und leichte bis mittelschwere Antrum- und Corpusgastritis. Die Laborwerte beliefen sich auf GGT 58 und AP 166. Der zweite Zyklus, einen Monat später, wurde in Form einer isolierten Oberbauchperfusion gegeben. Hierzu wurden Ballonkatheter sowohl in die Vena Cava direkt unterhalb des Diaphragmas, als auch in die Aorta direkt unterhalb der Abzweigung des Tr. coeliacus unter Abschluss der A. renalis sinistra und A. renalis dextra platziert. Zur Lagekontrolle wurde nur kurzzeitig inflatiert um die Gewebesauerstoffsättigung nicht zu verringern. Zusätzlich wurde zeitweise mit 100% Sauerstoff beatmet. Erst direkt vor Injektion von niedrig dosiertem Cisplatin, Adriamycin und Mitomycin C oberhalb des arteriellen Ballons wurde dieser inflatiert. Während der Injektion wurde der venöse Ballon inflatiert. Durch den arteriellen Blutfluss wurde das Einströmen der Zytostatika in den Tr. coeliacus gesichert. Nach der Injektion wurde der arterielle Ballon unter Röntgendurchleuchtung nach oben geschoben bis unter das Diaphragma. Dadurch wurde der Blutfluss gestoppt und die hohe lokale Konzentration im oberen Abdomen erhalten. Nach der 5-minütigen Stop-Flow-Phase wurde für 5 min perfundiert und anschließend für weitere 5 min perfundiert und chemofiltriert. Danach wurden beide Ballons deflatiert und weiterhin für 20 min chemofiltriert.

 

Die relativ niedrige Dosierung führte aufgrund des verkleinerten behandelten Volumens zu erhöhter Zytostatikakonzentration in der Tumorregion. Die Chemofiltration führte anschließend zu fast vollständiger Entfernung der Zytostatika aus dem Körperkreislauf.

 

 

 

Drei Wochen nach dem zweiten Zyklus hatte die Patienten erhebliche Schwierigkeiten bei der oralen Nahrungsaufnahme und weiterhin Diarrhoen. Die Patientin litt unter Exsikkose, hatte einen weiteren Gewichtsverlust von 6 kg zu verzeichnen und der Allgemeinzustand der Patientin war entsprechend verschlechtert. Der CT Befund zeigte liquide Einlagerungen zwischen Leber und Magen nach caudal gelegen, der Magen war komprimiert und es zeigte sich erheblicher Dünn- und Dickdarmmeteorismus.

 

Operativ wurde im linken Oberbauch eine Zyste eröffnet. Da sich intraoperativ kein eindeutiger Anschluss an das Pankreas zeigte, wurde auf eine Zystojejunostomie verzichtet und eine Robinsondrainage in die Zystenhöhle eingelegt.

 

 

 

Ergebnis

 

Der histopathologische Befund der Zystenflüssigkeit zeigte keine nachweisbaren Tumorzellen. Eine Biopsie der Zystenwand ergab histopathologisch eine Pankreaspseudozyste. Postoperativ besserte sich die orale Nahrungsaufnahme deutlich. Der Wert für AP sank auf 120. Weitere chemotherapeutische Behandlungen wurden nicht durchgeführt. Radiologisch und histologisch konnte eine complete response nachgewiesen werden. Die Patientin lebt seit über 7 Jahren rezidivfrei und ohne Beschwerden.