ÖSOPHAGUSKARZINOM



Studie


Regionale Chemotherapie als Zweitlinientherapie beim metastasierten Ösophaguskarzinom nach Versagen der palliativen Erstlinie

 

Zusammenfassung 

 

Hintergrund

Die therapeutischen Optionen beim metastasierten Ösophaguskarzinom sind begrenzt und zeitigen unbefriedigende Ergebnisse. In dieser Studie wurde die Wirksamkeit der Regionalen Chemotherapie beim diffusen metastasierten Ösophaguskarzinom untersucht, wobei arterielle Infusion (AI), Oberbauchperfusion (UAP) und isolierte Thoraxperfusion (ITP) bei 14 Patienten (N = 8 Adenokarzinom, AC, und N = 6 Plattenepithelkarzinom, SQCC) nach Versagen einer palliativen Erstlinienbehandlung zum Einsatz kamen.

 
Methoden

Alle Patienten hatten eine vorangegangene fehlgeschlagene palliative Erstlinienbehandlung mit systemischer Chemotherapie hinter sich. Es wurden insgesamt 51 Regionale Chemotherapie-Zyklen (12 AI, 3 UAP und 36 ITP) unter Verwendung von Cisplatin, Adriamycin und Mitomycin C angewendet und das Ergebnis anhand der RECIST-Kriterien ausgewertet.

 
Ergebnisse

Es traten keine Grad III oder IV hämatologischen Komplikationen auf. Die Gesamtansprechrate ergab 41 % partielles Ansprechen, 27 % stabile und 32 % fortschreitende Erkrankung. Das mediane Gesamtüberleben (OS) betrug 38 Monate (95 % KI 10,1–65,9) und war bei Plattenepithelkarzinomen mit 51 Monaten besser. Das unter regionaler Chemotherapie spezifische Überleben betrug 13 Monate (95 % KI 2,9–23,1) in der gesamten Kohorte und 25 Monate bei Patienten mit Plattenepithelkarzinomen.

Schlussfolgerung

Die Regionale Chemotherapie ist ein wertvoller und sicherer therapeutischer Ansatz und den derzeit verfügbaren Therapie-Optionen bei metastasiertem Ösophaguskarzinom nach Versagen der Erstlinientherapie überlegen.

 

 


Einführung


Speiseröhrenkrebs ist die global sechsthäufigste krebsbedingte Todesursache und nimmt die neunte Stelle der häufigsten Krebsarten ein. Bei über der Hälfte der Patienten wird die Erkrankung erst im Stadium IV diagnostiziert und das Auftreten eines Rezidivs nach primärer kurativer Therapie ist sehr häufig. Die 5-Jahres-Gesamtüberlebensrate der rezidivierten oder metastasierten Erkrankung liegt daher unter 5 %. Empfehlungen zum Management der fortgeschrittenen Erkrankung sind selbst in den nationalen Leitlinien der onkologischen Fachgesellschaft kaum vorhanden. Zudem bleibt der therapeutische Outcome trotz vieler in den letzten Jahren durchgeführten Studien insgesamt höchst unbefriedigend mit einer Überlebenszeit von ≤ 10 Monaten bei jenen Patienten, die auf eine Erstlinienbehandlung nicht ansprechen. Dies wird noch deutlicher, wenn die Beeinträchtigung der Lebensqualität (QoL) durch die Therapien und die erforderliche Behandlungsdauer berücksichtigt werden.

 

Die Regionale Chemotherapie ist ein onkologischer Ansatz mit sehr mildem Toxizitätsprofil und sehr gutem Ansprechen des Tumors aufgrund hoher Zytostatikakonzentrationen in einem isolierten Perfusionsbett. Zudem kann die Therapie sehr gut auf bestimmte Regionen fokussiert werden, wobei unter Anwendung derselben Technik z.B. eine Oberbauchperfusion (UAP), eine isolierte Thoraxperfusion (ITP) und eine intraarterielle Infusion (AI) durchgeführt werden können. So kann bei der Regionalen Chemotherapie die Zytostatikakonzentration am Tumor im Vergleich zur systemischen Chemotherapie trotz Verwendung von nur 20-50 % der Wirkstoffmenge hoch potenziert und dabei trotzdem eine insgesamt deutlich geringere Menge des zytotoxischen Medikaments verabreicht werden.

Mit der darüber hinaus bestehenden Möglichkeit, eine Chemofiltration durchzuführen, kann die systemische Belastung insgesamt sehr gering gehalten werden.

 

Die Wirksamkeit der Regionalen Chemotherapie wurde bereits bei vielen Krebsarten, einschließlich dem metastasierenden Magenkrebs, nachgewiesen, bislang aber noch nicht beim fortgeschrittenen metastasierten Ösophaguskarzinom dokumentiert. In der vorliegenden Studie berichten wir über unsere institutionelle Erfahrung mit 14 fortgeschrittenen metastasierten Ösophaguskarzinom-Patienten, die sich einer Regionalen Chemotherapie nach Versagen einer palliativen systemischen Erstlinienbehandlung unterzogen.


Studiendesign und klinisches Setting


 

Es wurden insgesamt 14 Patienten mit metastasiertem Ösophaguskarzinom in die Studie aufgenommen und zwischen 2002 und 2019 behandelt. Die regionale Chemotherapie zeichnet sich durch eine sehr geringe Morbidität und Sterblichkeit aus. Die Möglichkeit, Infusions- und Perfusionstechniken zu kombinieren, trägt dazu bei, dass auch Patienten mit einem ECOG bis zu 3 behandelt werden können. Ausschlusskriterien waren eine stark eingeschränkte Herz-Lungen-, Leber- und Nierenfunktion, eine vorliegende Infektion, sowie eine vaskuläre Anatomie, die keinen sicheren Zugang erlaubt.

 

Alle in die Studie eingeschlossenen Patienten hatten ein weit fortgeschrittenes und metastasiertes Ösophaguskarzinom, und fünf (35 %) dieser Patienten hatten eine vorangegangene Resektion des Primärtumors und präsentierten sich nun mit einem diffusen Rückfall der Erkrankung. Alle Patienten wurden zuvor mit systemischer Chemotherapie behandelt, darunter acht Patienten zusätzlich mit einer Strahlentherapie. Zudem hatten zwei Patienten einen implantierten Speiseröhren-Stent und zwei weitere unterzogen sich nach dem Rückfall der Erkrankung einer Metastasektomie (zerebral und pulmonal) in Kombination mit einer Bestrahlung. Die angewandten Chemotherapeutika umfassten Taxane, Fluorouracil, Oxaliplatin, Epirubicin, Capecitabin und in zwei Fällen Herceptin. Die Metastasen traten an verschiedenen Lymphknoten im Abdomen, Thorax, Retroperitoneum und der zervikalen Region auf und in Lunge und Leber. Drei (21%) Patienten hatten ein lokales Rezidiv gemeinsam mit Metastasen in anderen Regionen.

 

Details zum methodischen Vorgehen, der Art und Dosierung der Chemotherapeutika und den Behandlungszyklen sind der Originalstudie zu entnehmen.

Download
Vashist, Aigner et al_Regional Chemother
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Ergebnisse kompakt


Nebenwirkungen 

  • Es trat keine therapie-assoziierte Mortalität auf.
  • Die Gesamtmorbiditätsrate betrug 57 % und war dominiert durch die Entwicklung von Lymphfisteln an der inguinalen Zugangsstelle, die aber erfolgreich konservativ behandelt werden konnte.
  • Die Entwicklung von Wundhämatomen machten bei einem Patienten eine operative Wundrevision erforderlich.
  • Allgemeinen Nebenwirkungen wie Übelkeit und Müdigkeit traten in nur geringem Ausmaß auf und erforderten keine zusätzliche Medikation über das posttherapeutische Standardprotokoll hinaus.
  • Haarausfall, Hand-Fuß-Syndrom und Neuropathie wurden nicht beobachtet.
  • Es traten auch keine hämatologischen Komplikationen dritten oder vierten Grades auf.

Tumoransprache

  • Das Ansprechen auf die Behandlung wurde gemäß den RECIST-Kriterien erfasst, indem typischerweise nach zwei Therapiezyklen ein CT-Scan durchgeführt wurde, wovon insgesamt 22 gemacht wurden (Fig. 2).
  • Es wurden über den gesamten Nachbeobachtungszeitraum bei insgesamt 41 % ein partielles Tumoransprechen (PR) beobachtet, sowie bei 27 % eine stabile Erkrankung (SD) und bei 32 % eine progressive Erkrankung (PD).
  • Eine deutliche PR und SD wurde nach dem dritten Zyklus beobachtet.
  • Ein Fortschreiten der Erkrankung (PD) war in den früheren Zyklen weniger häufig, nahm aber nach dem dritten Zyklus zu.
  • Der klinikspezifische QoL-Indikator wurde als klinischer Ansprechparameter während des Krankenhausaufenthaltes vor und nach der Regionalen Chemotherapie dokumentiert. Diese Evaluierung ergab ein vollständiges Ansprechen (CR) bei 9 %, PR bei 31 %, SD bei 41 % und PD bei 19 % der Patienten.

Fig. 2 Tumoransprache der Patientengruppen

 

 

Überlebenszeit:

  • Das mediane Gesamtüberleben (OS) betrug 38 Monate (95 % KI 10,1–65,9), acht (57 %) Patienten zeigten eine Überlebensdauer von ≥ 22 Monaten.
  • Die Überlebensraten erreichten 79 %, 50 % und 35 % in den Jahren eins, zwei, bzw. drei.
  • Der mediane Überlebensvorteil gemessen ab dem Zeitpunkt der ersten Behandlung mit regionaler Chemotherapie betrug 13 Monate (95 % KI 2,9–23,1), vier (29 %) Patienten waren auch nach 12 Monaten noch am Leben.
  • Die 1-Jahresüberlebensrate betrug 29 %, 2-Jahre 21 % und 3-Jahre 21 %.
  • Eine nach dem histologischen Subtyp stratifizierte Subgruppen-Analyse zeigte einen medianen OS-Vorteil von 23 Monaten (95 % KI 0–48,2) bei Adenokarzinomen und von 51 Monaten (95 % KI 12,3–89,6) bei Plattenepithelkarzinomen (p = 0,521).
  • Patienten, die sich zuvor einer Resektion des Primärtumors unterzogen hatten und zu Studienbeginn ein diffuses Rezidiv aufwiesen, zeigten eine verbesserte Überlebenstendenz mit einem mittlerem Gesamtüberleben (OS) von 57,1 (95 % KI 39,5–74,8) Monaten im Vergleich zu einem medianen OS von 22 Monaten (95 % KI 2,8–41,2; p = 0,09) bei Patienten mit primär diffus metastasiertem Ösophaguskarzinom.

Abb. 1 Überlebenszeit der Patienten

Zusammenfassend bietet die Regionale Chemotherapie einen sicheren und mit geringer Toxizität assoziierten Therapieansatz für Patienten mit weit fortgeschrittenem metastasierten Ösophaguskarzinom, die auf die Erstlinientherapie nicht ansprachen, hingegen aber eindeutig von einer regionalen Chemotherapie profitierten. Zukünftige Studien werden erforderlich sein, um die mögliche Rolle der Regionalen Chemotherapie im multimodalen Management des metastasierten Ösophaguskarzinoms in der Erstlinientherapie zu bewerten sowie im neoadjuvanten Setting. Auch die Kombination einer regionalen Chemotherapie mit neu verfügbaren Immun-Checkpoint-Inhibitoren ist gerechtfertigt.