ANALKARZINOM


Mit einer Inzidenz von zwei bis drei pro 100.000 Menschen ist das Analkarzinom zwar ein relativ seltener Tumor, allerdings ist ein kontinuierlicher Anstieg der Neuerkrankungen zu verzeichnen. Das Plattenepithelkarzinom des Analkanals ist mit einem Anteil von ca. zwei Prozent eine seltene Neoplasie unter den gastrointestinalen Tumoren. Standardtherapie ist die Radiochemotherapie nach Nigro, die in vielen Fällen gute Remissionsraten ermöglicht. Sie ist jedoch mit akuten und chronischen Nebenwirkungen behaftet.

Rezidive nach einer Radiochemotherapie sind eine therapeutische Herausforderung, da chirurgische Salvage-Eingriffe häufig mit erheblicher Morbidität (permanente Stomaanlage, eingeschränkte Lebensqualität) verbunden sind.


Chirurgen in OP-Kleidung und Mundschutz während einer Operation im Operationssaal.

Studie


Elektrochemotherapie: Die isolierte hypoxische Beckenperfusion in Kombination mit Elektroporation als wirksame Alternative zur herkömmlichen Therapie bei analem Plattenepithelkarzinom: eine Fallserie


Therapeutisches Konzept: Regionale Chemotherapie in Form der Isolierten Hypoxischen Beckenperfusion (Hypoxic Pelvic Perfusion = HPP) + reversibler Elektroporation (sogenannte Elektrochemotherapie)

Die vorgestellte Fallserie untersuchte den Stellenwert einer isolierten hypoxischen Beckenperfusion (HPP), ergänzt durch reversible Elektroporation:


  • Technik der Beckenperfusion: Unter Vollnarkose werden zwei pneumatische Manschetten um die proximalen Oberschenkel gelegt. Unterhalb des Leistenbandes werden die Femoralgefäße durch eine Längsinzision freigelegt und unter systemischer Heparinisierung mit zwei dreilumigen Stop-Flow-Ballonkathetern kanüliert. Die Chemotherapie erfolgt durch rhythmische, pulsierende Injektionen über den genannten aortalen Ballonkatheter, um hohe First-Pass-Wirkstoffkonzentrationen zu erreichen. Die fünfminütige sogenannte Stop-Flow-Phase erzeugt aufgrund der hohen initialen Sauerstoffsättigung einen hohen First-Pass-Effekt und damit eine hohe Aufnahme von Zytostatika in das Tumorgebiet.
  • Chemofiltration: Im Anschluss wird das Blut über Kapillarfilter extrakorporal gereinigt, um kumulative Toxizitäten (v. a. Mitomycin, Doxorubicin) zu vermeiden.
  • Kombination mit Elektroporation: Bei der Kombination von isolierter Perfusion mit reversibler Elektroporation wird durch die perianale Platzierung von Nadelelektroden und die Applikation kurzer elektrischer Impulse, die Zellmembranpermeabilität im Tumorgebiet erhöht. Dies steigert die intrazelluläre Wirkstoffaufnahme deutlich. Die Chemotherapeutika werden hier während der elektrischen Impulse verabreicht.

Abb. 1: Schema der isolierten hypoxischen Beckenperfusion (HPP) zur kurzfristigen intraaortischen Infusion der zytotoxischen Wirkstoffe Mitomycin, Doxorubicin und Cisplatin.

Ergebnisse der Fallserie


Insgesamt wurden vier Patientinnen mit einem HPV-positiven Analkarzinom behandelt:

  • Zwei primär unbehandelte G3-Karzinome: komplette klinisch-histologische Remission nach zwei bis drei Zyklen isolierter Beckenperfusion
  • Zwei rezidivierte G2-Karzinome nach Radiochemotherapie: komplette klinisch-histologische Remission nach einer Kombinationstherapie mit isolierter Beckenperfusion und Elektroporation (Elektrochemotherapie)

Beobachtungszeiträume:

  • Krankheitsfreie Intervalle von 8, 10, 27 und 48 Monaten.
  • Keine schweren hämatologischen, gastrointestinalen oder dermatologischen Toxizitäten.

Keine therapiebedingte Einschränkung der Lebensqualität.

Diskussion


  • Wirksamkeit: Durch die isolierte Beckenperfusion werden Wirkstoffkonzentrationen im Tumorgewebe erreicht, die systemisch nicht applizierbar wären. Die Elektroporation verstärkt die lokale Aufnahme und gleicht Limitationen der alleinigen Perfusion (unzureichende Tumorpenetration) aus.
  • Toxizität: Im Gegensatz zur konventionellen Standardtherapie (Radiochemotherapie) wurde keine relevante Organtoxizität beobachtet. Die Chemofiltration sowie die lokale Applikation erwiesen sich als entscheidend um kumulative Nebenwirkungen zu minimieren und die Lebensqualität zu erhalten.
  • Vergleich: Während die 5-Jahres-Überlebensrate nach Standard-Radiochemotherapie bei 65 bis 79 Prozent (mit teils erheblichen Spätfolgen) liegt, konnte in dieser Serie eine komplette Remission bei allen Patientinnen erreicht werden.

Originalstudie:

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Aigner et al_HPP combined with electropo
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Klinische Relevanz


Die Kombination aus isolierter Beckenperfusion und Elektroporation (Elektochemotherapie) ist eine potenziell kurative, organerhaltende Option für Patient:innen mit:

  • primären, lokal fortgeschrittenen Analkarzinomen,
  • Radiochemotherapie-refraktären Tumoren oder
  • lokalen Rezidiven mit drohender abdominoperinealer Resektion (APR)

 

Durch die gezielte regionale Therapie kann eine Reduktion der systemischen Belastung erreicht und die Lebensqualität erhalten bleiben.

Fazit


Die Fallserie zeigt, dass die isolierte hypoxische Beckenperfusion in Kombination mit Elektroporation eine vielversprechende Alternative zur Standardtherapie beim Analkarzinom sein könnte. Sie ermöglicht eine hohe lokale Wirkstoffexposition bei minimaler systemischer Toxizität. Es sind jedoch weitere prospektive Studien mit größeren Fallzahlen notwendig, um die Wirksamkeit und Sicherheit dieser Methode im Vergleich zur etablierten Radiochemotherapie zu evaluieren.